Tischlerin mit Abitur?! Für eine Gleichstellung von akademischen und beruflichen Abschlüssen

Nach dem Schulabschluss bekam Anna Moschner einen guten Ratschlag immer wieder zu hören: „Mit Abitur willst du doch nicht Tischlerin werden?“ Über einen Umweg landete sie dann doch in ihrem Wunschberuf, absolvierte bei der Tischlerei Uppenkamp in Coesfeld ein duales Studium. „Die richtige Entscheidung“, findet die junge Mutter.

Auch die Tischlerei Uppenkamp braucht gute Fachkräfte. Die Geschäftsführer Hugo Uppenkamp (l.) und Sebastian Kläver (3.v.r.) führten gemeinsam mit Anna Moschner den Abgeordneten Marc Henrichmann (3.v.l.) sowie Ulrich Müller (2.v.l.) und Frank Summen (r.) von der Kreishandwerkerschaft durchs Unternehmen. Foto: Büro Marc Henrichmann

Denn auf eine Ausbildung im Handwerk lasse es sich immer aufsatteln. Diesen Gedanken möchte der Bundestagsabgeordnete Marc Henrichmann „noch stärker in den Köpfen von Eltern und Schulabgängern“ verankern. Der CDU-Politiker macht sich stark für die Gleichwertigkeit akademischer und beruflicher Abschlüsse.Diese Gleichwertigkeit habe die Vorgänger-Bundesregierung durch die Schaffung des „Bachelor Professional“, der dem Meister entspricht, und des „Master Professional“ sichtbarer gemacht, erklärte Henrichmann. „Der Meister ist dabei der Abschluss mit der höheren Praxisrelevanz“, betonte Ulrich Müller, Hauptgeschäftsführer der Kreishandwerkerschaft. „Im Gegensatz zur rein akademischen Ausbildung erfolgt das duale Studium im Betrieb und an der Hochschule.“

Fast 60.000 Ausbildungsplätze blieben 2020 unbesetzt. Die Zahl der Studierenden stieg dagegen zwischen 2007 und 2020 um 50 Prozent. Gute Bewerberinnen und Bewerber für Betriebe sind knapp, obwohl die Arbeit im modernen Handwerk vielfältiger ist als viele glauben. Mindestens „zehn Berufe“ vereine der Tischler, betonte Hugo Uppenkamp, einer der drei Geschäftsführer des Coesfelder Unternehmens. Fähigkeiten eines Architekten seien ebenso gefragt wie die eines Designers, Chemikers oder IT-Experten.

„Die Akteure in der Berufsorientierung müssen dies den Schulabgängern viel deutlicher vermitteln“, nannte Müller eine dringende Herausforderung. Oft müssten sich die Partner in der Schul- und Berufsbildung noch stärker vernetzen, forderte er. Es dürfe nicht sein, dass eine weiterführende Schule im Kreis eine Projektwoche zur Berufsbildung veranstalte, aber nicht das Handwerk anspreche, machte er klar. CDU und CSU forderten von der Bundesregierung eine „nationale Offensive in der Berufsorientierung“, berichtete Henrichmann. Dazu gehörten beispielsweise mehr digitale Angebote und der Einsatz Künstlicher Intelligenz, um Betriebe und Bewerber zusammenzubringen.

Anna Moschner ist froh, dass sie für ihr duales Studium die Firma Uppenkamp als begleitenden Betrieb gefunden hat. Dem bleibt sie auch weiterhin erhalten – wenn sie auch zugunsten des Nachwuchses etwas kürzer tritt: Der fünf Wochen alte Sohn Theo war beim Besuch des Abgeordneten und der Vertreter der Kreishandwerkerschaft mit dabei.